Fromme Mönche und raue Gesellen – Vortrag im Heimathaus Salzkotten

Vor 600 Jahren kamen die Augustiner Chorherren nach Böddeken


Als die Augustiner Chorherren am 29. August 1409 aus dem niederländischen Zwolle nach Böddeken kamen, erwartete sie bei der Besichtigung ihres neuen Domizils ein chaotisches Bild: Von dem ehemals reichen Kanonissenstift, das bereits im Jahr 836 vom sächsischen adeligen Meinolf gestiftet worden war, war nur wenig geblieben. Die letzte Äbtissin Walburg von dem Walde lebte mit einer Dienerin in dem verlassenen Gebäude und in der einst stolzen Klosterkirche lag knietief der Mist. Landflucht, Agrarkrise, Fehden und der Schwarze Tod hatten seit dem Spätmittelalter zur Entsiedlung der Region geführt. Auch das einst blühende Kanonissenstift des heiligen Meinolf, das von den Abgaben und Pachtzahlungen seiner abhängigen Bauern lebte, lag wirtschaftlich am Boden. „ Die Äcker des Klosters und der gesamten Siedlung haben viele Jahre völlig verwüstet brach gelegen und nichts als Disteln und Dornengestrüpp hervorgebracht.“ berichtet eine zeitgenössische Chronik.

Eine Erfolgsgeschichte
Die neuen Herren arbeiteten hart für den Wiederaufbau: Schon wenige Jahrzehnte später hatte sich aus dem kleinen Stift das größte Kloster des Paderborner Landes entwickelt. 1541 lebten hier 47 Chorherren (inklusive Conversen, Donaten und Kleriker in der Probezeit) und 117 Laienbrüder. Das wirtschaftlich florierende Kloster besaß einen großen landwirtschaftlichen Eigenbetrieb mit einigen tausend Hektar Land, das nach jahrzehntelanger Verödung von Laienbrüdern und Chorherren in mühevoller Arbeit wieder rekultiviert worden war. Sie bauten im 15. Jahrhundert einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb auf, auf dem 69 Pferde, 290 Rinder, 360 Schweine, 300 Ziegen mindestens 500 Hühner und fast 2.000 Schafe gehalten wurden. Böddeken wurde so reich, das bedeutende Städte wie Lübeck, Braunschweig, Göttingen und Deventer bei den Chorherren hoch verschuldet waren. Ein Ergebnis dieses Reichtums war die prachtvolle klösterliche Bibliothek, die im westfälischen Raum große Bedeutung erlangte. Um 1500 zählte Böddeken zu den größten monastischen Gemeinschaften in ganz Deutschland.

Gefährliche Nachbarschaft
Der Erfolg weckte besonders bei den adeligen Familien der Umgebung Begehrlichkeiten. Diese führten immer wieder zu Konflikten und Fehden. So berichtet der Böddeker Laienbruder Göbel von Köln im Jahr 1515: „Als ich aus Köln kam, fand ich einen verstörten Haufen von Priestern und Brüdern, die zusammen mit zahlreichen Knechten das Kloster Tag und Nacht bewachten, weil Cort von Brenken jederzeit kommen und uns alle aus dem Kloster jagen könnte. Einige Tage zuvor hatte Cort mit 40 Reitern das Nachbardorf Graffeln überfallen und dort alle Brüder halb tot geschlagen. Und er nahm alles mit was da war und setzte alle Häuser und die Mühle in Brand. Und nur Gott allein hörte unsere Klage.“ Auf effektive Strafen durften die Chorherren damals nicht hoffen, denn die Fehde war legitim, wenn sie zuvor in einem Fehdebrief formgerecht angesagt wurde. Adelige, aber auch Städte oder reiche Bürger nutzen die Fehde, um Rechtsansprüche auf eigene Faust durchzusetzen.

Hilfe aus Rom
Obwohl die Böddeker Chorherren sich bei ihrem Landesherrn, dem Paderborner Bischof beklagten, konnte auch er nicht helfen. Im Frühjahr 1515 zog Bruder Göbel sogar nach Rom, um vom Papst gegen die Herren von Büren und von Brenken einen Kirchenbann zu erbitten. Sein Anliegen hatte Erfolg: Am 2. September wurde die Exkommunikation verkündet. Dabei hatte Cort von Brenken zuvor mit allen Mitteln versucht, die Böddeker Pläne zu vereiteln. Er setzte ein Kopfgeld von 25 Goldgulden aus, das für eine abgeschlagene Hand oder einen abgetrennten Fuß des Laienbruders gezahlt werden sollte. Jeder, der die Tagebücher Bruder Göbels liest, erfährt von den zahlreichen Gefahren, von denen sein Kloster immer wieder heimgesucht wurden: Von Fehden, Krankheiten, Hungersnöten, Hexenverfolgungen und Salzkottener Bürgern! Als der Klostervogt 1525 Gert Suren auf dem Kirchhof in der Sälzerstadt wegen Holzdiebstahls zur Rede stellte, setzte sich dieser gleich mit einer breiten Axt zur Wehr.

Niedergang
Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlahmte die Wirtschaftskraft Böddekens. Mit der Säkularisation im Jahre 1803 wurde das Kloster schließlich aufgelöst und in eine Staatsdomäne umgewandelt. 1805 wurde die Kirche bis auf zwei Geschosse des romanischen Westturmes und die Reste des Chores abgerissen. Seit 1822 befindet sich das ehemalige Kloster im Besitz der Familie von Mallinckrodt.

Buchtipp: Die Chronik Bruder Göbels. Aufzeichnungen eines Laienbruders aus dem Klosters Böddeken 1502 bis 1533, Hrsg. v. Heinrich Rüthing, Bielefeld 2005.
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