20 Jahre lang drohte der Abrissbagger
Diskussion um Haus Wüst erinnert an die Geschichte des Sälzer Bahnhofs
Blick auf den alten Bahnhof mit gegenüberliegender Güterabfertigung. Die ungewöhnliche Perspektive ermöglichte eine Dachdeckerfirma, die auf dem angrenzenden Gebäude das Dach erneuerte. FOTO: RAINER WESTER/ Bericht: Neue Westfälische
Salzkotten (NW). Erhaltenswert oder nicht? Die Frage, ob das Haus Wüst in der Klingelstraße noch eine Zukunft hat, erhitzt derzeit viele Gemüter in Salzkotten. Da werden Erinnerungen wach an das alte Rathaus, Haus Weber oder das alte Bahnhofsgebäude Salzkottens. Mit einem Unterschied: Der Bahnhof steht noch.
Fast wäre die Frage nach dem Erhaltenswert vor vielen Jahren auch diesem Gebäude zum Verhängnis geworden. Die neuerliche Diskussion erinnert den Upsprunger Bahnfreund Rainer Wester, der seit fast 25 Jahren alles über den Salzkottener Bahnhof sammelt, eine Chronik mitschreibt und ihm 2000 die Martiniausstellung gewidmet hat, an die wechselvolle Geschichte des alten Bahnhofsgebäudes.
Denn um das Fachwerkhaus, in dem seit vielen Jahren das Polizeimuseum eine Heimat gefunden hat und dessen Gaststätte gerne zum Feiern gebucht wird, rankten sich seit 1971 fast 20 Jahre lang Abrissbemühungen. Nach der Unterschutzstellung als 100. Baudenkmal im Jahr 1989 war auch hier zunächst guter Rat teuer.
Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass aus der Fast-Ruine, an der vergammeltes Fachwerk mit Latten verblendet war, noch etwas werden könnte. Die vielfach gehörte Aussage “das Ding soll nachts der Bagger holen” ist Wester dazu noch gut im Gedächtnis geblieben. Eine Partei titelte in Anspielung auf das Polizeimuseum im Wahlkampf 1989 gar “Mit Schnapsidee auf Stimmenfang”. Dabei grenzt allein die Tatsache, dass es das Gebäude überhaupt bis 1989 geschafft hat, fast an ein Wunder.”Vor genau 40 Jahren plante die Bahn einen Flachdachbau für die notwendigsten Dienststellen” weiß Wester aus den überlieferten Äußerungen eines Bahn-Amtmannes, der 1971 in Salzkotten zu Besuch war und vom Abriss träumte. Es scheiterte am Geld und so überließ die Bundesbahn die Immobilie im Hinblick auf einen späteren Neubau erst einmal mehr oder weniger sich selbst. Anfang der 1980er Jahre war der Abrissbagger ein weiteres Mal so gut wie bestellt. Anstatt eines Flachdachbaus im Charme der 70er-Jahre planten die Bahn-Architekten nun – dem Zeitgeist entsprechend – einen Pavillion.
Doch die Stadt Salzkotten verweigerte die von der Bundesbahn gewünschte Beteiligung an den Personalkosten der Eisenbahner, so dass der sicher geglaubte Abbruch abermals verschoben werden musste. Der Abriss des alten an das Hauptgebäude grenzenden Stellwerkes fiel ebenfalls aus, da sich die Koksheizung für das Gesamtgebäude im dortigen Keller befand. Nach der Übergabe des Gepäckverkehrs Ende Mai 1982 an die Post suchten die Verantwortlichen für den geplanten Fahrkartenschalter im Pavillion nach einer privaten Agentur, was aber misslang. Da zwischenzeitlich auch das Gepäck wegen anhaltender Schwierigkeiten mit der Post zum Bahnhof zurückgekommen war, rückte der Wunsch vom Bahn-Pavillion und der damit verbundenen Beseitigung des Altgebäudes abermals in weite Ferne.
Investiert wurde schon lange nichts mehr, die Wohnungen standen leer und die Fenster im alten Stellwerk standen, sofern noch vorhanden, offen. Geheizt waren lediglich die Diensträume. Die Bahndirektion war froh, Gelände und Gebäude an die Stadt verkaufen zu können. Das Ende der Geschichte ist bekannt. Dank Felix Hoffmann und seiner Polizei-Sammlung ist das historisch bedeutsame und stadtbildprägende Gebäude heute nicht nur in der Erinnerung präsent sondern steht noch an Ort und Stelle. Die ehemalige Güterabfertigung nutzt die Genossenschaft.
Rainer Wester ist froh, dass sich der Bahnhof später nicht mit dem alten Rathaus samt Amtsgericht oder dem Haus Weber in einer Abbruch-Auflistung wiederfinden wird. Gespannt ist er aber, ob im Herzen der Stadt jetzt Chancen genutzt werden oder sich die Fehler der Vergangenheit in der Klingelstraße wiederholen.